Ihre Komfortzone müssen die Besucher einer Performance des Ballet of Difference bereitwillig verlassen. Gängige Erwartungen wirft man am besten gleich mit über Bord. Während Richard Siegals dreiteiligem Tanzabend „My Generation“ – ein erster Höhepunkt der 33. Ausgabe des Festivals Bolzano Danza – graben sich laute Elektrobeats in die Eingeweide, lassen wilde, coutureartig-extravagante Kostüme das Tutu alt aussehen und fusioniert die Leistungsorientierung des klassischen Spitzentanzes mit der Wucht des Pop. Erst vergangenes Jahr gründete der amerikanische Choreograph Richard Siegal in München seine lediglich aus 12 Tänzern bestehende Kompanie Ballet of Difference. Der Name ist Programm. Ihre Diversität hinsichtlich kulturellem Background, ästhetischer Sozialisation und sexueller Orientierung trägt die Truppe wie eine Monstranz vor sich her: ein emotionaler, gesellschaftspolitisch versierter Gegenpart zum akademischen Ballett.
Und mit diesem sehr zeitgenössischen Ansatz passt die Company perfekt zu dem Bozener Festival, das bereits das dritte Jahr in Folge die kulturelle Auseinandersetzung mit Identität vorantreibt. Temporeich, virtuos und optisch gefällig manifestiert sich dieses Leitmotiv bei Siegal – und herrlich bodenständig bei Alessandro Sciarroni. Der italienische Choreograph hatte sich zuvor mit fünf Performern und einem Videokünstler in das Pustertal zurückgezogen und das Schuhplattln erlernt. Dabei entdeckte er die archaischen Wiederholungsmuster und rhythmischen Strukturen des Volkstanzes. Jetzt kommt sein konzeptionelles Gute-Laune-Stück „Folk-S. Will you still love me tomorrow“ wieder auf die Bühne. Zwischen diesen beiden aufregenden Polen spannt sich von 13. bis 29. Juli der Bogen des internationalen, workshop-reichen Mitmachfestivals Bolzano Danza.
Alexandra González
Tanz Bozen. Bolzano Danza. 13. bis 29. Juli im Stadttheater Bozen und an anderen Orten. Ausführliches Programm und Übersicht der Workshops unter www.bolzanodanza.it/de/