Weiterbauen in den Alpen. Was das heißen kann, lässt manchem aktuell wieder die Haare zu Berge stehen. Jodeldidumpfdideldei. Viele sind deshalb mehr als froh, dass es neben den Heerscharen von schief gewickelten Traditionalisten (und einigen guten) auch noch alpine Architekten wie Günther Domenig gab, der von sich sagte: „Ein Bauherr, der mich einmal hatte, nimmt mich nie wieder.“ Schon speziell. Und irgendwie logisch, dass die wichtigste private Baustelle sein eigenes Haus in Kärnten wurde. Das Steinhaus am Ossiacher See.
Vor genau zehn Jahren starb der große Österreicher. Kann uns seine Architektur in einer Zeit der nachhaltigen, kostengünstigen, emissionsfreien Bauwerke noch viel sagen? Schwierig. Heute geht es ja eher um die Abkehr von einem superambitiösen Stil. Und neue Häuser sollten am besten gleich aus dem 3-D-Drucker herausfallen.
Was Domenig damals in seinem Steinhaus im Interview für AD Architectural Digest zu mir sagte, war bezeichnend für ihn: Kommt mir bloß nicht mit Normalität! Sein Stil war ultraindividuell und – auf sympathische und künstlerische Weise – maßlos. Er suchte perfekte Lösungen, die deshalb auch meist ziemlich teuer waren. Genau so wie das Steinhaus am Ufer des Ossiacher Sees, das er für sich selbst auf dem elterlichen Grundstück erbaute. Immer wenn nach einem Architekturauftrag seiner großen Büros in Graz und Wien Geld übrig war, fügte er dem Wohnhaus eine neue Kanzel aus Stahl oder einen Raum aus Glas und Beton an. Von 1982 bis 2008 werkelte er immer daran weiter und setzte – wie er in dem Interview sagte – mit diesem avantgardistischen Bau seine Kindheitserinnerungen an das Gebirge des Mölltals architektonisch um. Das Steinhaus verschlang über die Jahre gewiss Millionen. Unzählige Wochenenden verbrachte Domenig hier.
Heute sind Beton und Stahl alles andere als die Baustoffe der Stunde. Und das Formeninventar des Dekonstruktivismus, dem Domenig ein Leben lang anhing, entwickelte seine Verrücktheiten vor 20 bis 40 Jahren – gedanklich kilometerweit entfernt von der Ratio unserer effektiven Zeit. Auf Domenig bezieht sich heute aber etwa gern Ben van Berkel von UN Studio, der selbst in Graz gebaut hat. Er bewundert die skulpturale Eleganz der Grazer Schule und die ideelle Komponente der Schöpfungen.
Domenigs eigene Büros waren voller Zeichnungen der Wiener Aktionisten – vor allem von Günter Brus. Dessen oft figurative, überbordene, phantasmagorische Bilder dürften maßgeblich für den 1934 geborenen Architekten gewesen sein – so wie die expressionistischen Ideen des Vorgängers Friedrich Kiesler oder die Utopien von Zeitgenossen wie Friedrich St. Florian, Feuerstein, Haus-Rucker Co, Raimund Abraham. Um 2000 setzte Domenigs große, erfahrene Firma einige Werke der nun weltberühmten Wiener Kollegen coop Himmelblau technisch um.
Zu Domenigs bekanntesten Werken gehören neben dem brutalistischen Steinhaus das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, das Telekom-Center in Wien und die ehemalige Zentralsparkasse in Wien-Favoriten (heute: Haus Z) mit der charismatischen Knautschfassade sowie „Händen“ und „Därmen“ als Stützen oder Röhren.
Text und Fotos: Alexander Hosch
Zu Domenigs zehntem Todestag beginnen in Österreich Mitte Juni vier Ausstellungen. unter einem gemeinsamen Titel. „Günther Domenig: Von Gebäuden und Gebilden. Dimensional“ ist ein mehrteiliges Projekt des Architektur Haus Kärnten (AHK), gemeinsam mit dem Land Kärnten, dem Museum Moderner Kunst Kärnten, der Steinhaus Günther Domenig Privatstiftung und der Heft/ Hüttenberg, kuratiert von section a. Die Hauptschau (bis 16. 10., Di-So 10-18 Uhr) ist im alten Eisenhüttenwerk Heft im steirischen Hüttenberg, das Domenig als Industriedenkmal umbaute.
www.domenigdimensional.at