Mit Zaha Hadid von oben in die Alpen zu schauen, das geht schon länger. In Innsbruck muss man dazu nur im Turmstüberl der von der Avantgarde-Architektin gebauten Bergiselskischanze einkehren. Sie überragt die Brennerautobahn als modernes Tiroler Maskottchen. Just seit Beginn der Coronazeit – Februar 2020 – ist jetzt auch der Hadid-Blick von unten auf die Berge möglich: Aus der Stadtmitte von Graz heraus.
In Richtung Klagenfurt erblickt man die Lavantthaleralpen mit den steirischen Gipfeln Ameringkogel und Rappoldkogel. Und im Norden den 1445 Meter hohen Grazer Hausberg Schöckl (von dessen Spitze aus wiederum sich sogar der Triglav in Slowenien erspähen lässt). Aber zurück in die City. 17 Jahre dauerte es, bis Zaha Hadids Konzept „Argos“ als Glamour-Neubau fertig war. Die Österreicher setzten – in Wien, in Tirol, in der Steiermark – schon früh auf die exklusive Architektur der irakischstämmigen Londonerin, die 2016 überraschend mit nur 65 Jahren starb. Dennoch gab es auch in Graz wieder unzählige Streitpunkte zu klären.
Nun aber existiert endlich dieses spaceshipartige Boardinghouse mitten in der Fischer-von-Erlach-Altstadt. Seine 45 silbrigweiß schimmernden Glasfaser-Bubbles schauen wie Argusaugen aus dem Zuckerbäckerbarock in alle Richtungen. Sogar die Tapete (Foto) passt sich an. Für Business- oder Feriengäste, die die kleinen und großen Wohnungen jetzt – zumindest während der Lockdownzeit – auch tageweise buchen können, heißt das: Sie residieren quasi im Computerbarock. Alles ist digital, vom Check-In über den Zutritt ins Zimmer per QR-Code zu den Service-Apps per TV-Gerät bis hin zum Raumgefühl. Das Bett kann man problemlos als Zentrum seines Cockpits verstehen. Nur die barocke Turmspitze der Stadtpfarrkirche draußen liegt herrlich analog und glasklar vor der Nase. Während man selbst gemütlich bei seinem ersten Espresso im raumhohen Fenster sitzt.
Und sonst? Stehen etwa Lichtschwerter statt Lampen auf dem Nachttisch? Fliegen die Frühstücks-Toasts hier wie Ufos am aufgesperrten Mund vorbei? Nein. Die futuristischen Zaha-Hadid-Sofas für Moroso oder ihre Alessi-Käsereibe waren dann doch zu teuer für den Hotelgebrauch. Aber auch so rundet angemessen dynamisches Mobiliar das Architekturkonzept ab – man wohnt also perfekt organisch-schrägwinklig. Und genauso futuristisch, wie es von draußen den Anschein hat. Text: Alexander Hosch
Argos by Zaha Hadid Architects, Boardinghouse mit 21 serviced Apartments, 30 bis 80 Quadratmeter. Zur Zeit teilweise ab nur 75 € pro Nacht, www.argos-graz.at