Die fetten Jahre sind vorbei

Als Drehort sind die Alpen einsame Spitze. Doch nicht jedes Werk, das hier entstand, wird auch als Bergfilm wahrgenommen. Wir stellen Fundstücke abseits des klassischen Genres vor, vom Klischee des Helden im Fels befreit: Die heimlichen Alpenfilme #2

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Berlin 2003. Die Piratenpartei existiert nicht einmal als Idee. Traditionelle Protestformen haben sich als Flop erwiesen. Da gehen drei junge Aktivisten – absolut glaubwürdig gespielt von Daniel Brühl, Stipe Erceg und Julia Jentsch – neue Wege: Sie brechen in Villen ein, schichten das Mobiliar zu Türmen auf, die aussehen wie Skulpturen von Olaf Metzel und hinterlassen die Nachricht „Die fetten Jahre sind vorbei“ – so auch der Titel dieser mit Handkamera gedrehten Low-Budget-Produktion. Im Hause Hardenberg werden sie von dem Eigentümer (der undurchdringliche Burghart Klaußner) überrascht. Das in Bedrängnis geratene Trio entführt den Klassenfeind auf eine hoch über dem Tiroler Achensee gelegene Hütte.

Täglich kämpfte sich die Filmcrew über eine schmale Schotterpiste zu dem Schlupfwinkel ohne Strom und fließendes Wasser. Als böte das Karwendel-Panorama dem Denken Raum zur Richtungsänderung, verhandelt der österreichische Regisseur Hans Weingartner hier oben Möglichkeiten und Grenzen des politischen Tuns. Hardenberg entpuppt sich als Alt-Linker. Freie Liebe. Dutschke forever. Doch „irgendwann willste auch mal deine rostige Karre loswerden und machst Karriere“. Und die drei Freunde erkennen auf der Alm, dass Rebellion ohne Moral eine Mogelpackung ist.   Alexandra González

https://www.universumfilm.de/filme/140764/die-fetten-jahre-sind-vorbei.html

Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner

Als Drehort sind die Alpen einsame Spitze. Doch nicht jedes Werk, das hier entstand, wird auch als Bergfilm wahrgenommen. Wir stellen Fundstücke abseits des klassischen Genres vor, vom Klischee des Helden im Fels befreit: Die heimlichen Alpenfilme #1

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Wenn Skiflieger eine Schanze bewältigen, haben sie den Adrenalinspiegel eines Menschen in Todesangst. Mit jedem Sprung wachsen sie über sich hinaus. Auch Walter Steiner, bester Skiflieger seiner Zeit, führte ein Leben zwischen Höllenfurcht und rauschhafter Entrückung. Diese Extremzustände waren es, die Werner Herzog an dem „Vogelmenschen“ aus dem schweizerischen Toggenburg so faszinierten. 1974 drehte er seine existenzialistische Dokumentation „Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner“ an den Mammut-Schanzen in Oberstdorf und im einst jugoslawischen Planica (heute Slowenien), während des Trainings und der Weltmeisterschaft. Aber was heißt schon Dokumentarfilm bei diesem Regisseur, der die künstlerischen Bilder und die Originalmusik von Popol Vuh derart suggestiv einsetzt. Es ist eine Arbeit über rücksichtslose Wettkampfbedingungen und das Erproben von Naturgesetzen. Die wichtigsten Verbündeten dabei: ein Paar ellenlange Ski. Wie jäh und grauenvoll Flüge enden können, filmt Herzog in Superzeitlupe. Nicht auszuhalten, wie die Gliedmaßen eines bewusstlosen Athleten ihr groteskes Ballett aufführen. Als Jugendlicher hatte Herzog selbst Skispringen trainiert, doch sein bester Freund kam dabei fast um. So entwickelte er eine Panik, die seine Sehnsucht nur noch mehr befeuerte. „Die Erdenschwere, die geht mir auf den Geist“, sagte er einmal, „ich will das nicht haben. Ich will mich dagegen auflehnen, auch wenn das natürlich ganz sinnlos ist.“ Zum Glück war Werner Herzog dem „Vogelmenschen“ begegnet, im Brotberuf ein sensibler Holzbildhauer. Und erfuhr hautnah, wie ein anderer an seiner statt den Traum vom Fliegen auslebte.   Alexandra González

www.wernerherzog.com